Reichhaltiges Unterländer Kaleidoskop à la Otto Müller 4.7.2015
Dass die interessantesten Ziele weit weg liegen, ist ein verbreiteter Irrtum. Die Mitglieder des Nufringer Kulturkreises wissen es besser – dank Otto Müller. Wieder einmal hatte er Schätze und Besonderheiten zu einem Tagesausflug komponiert, der am Samstag, 4. Juli, ins Unterland führte.
Ein langer Sommertag nahm seinen Anfang um 8.00 Uhr beim Start in Nufringen und beim Zustieg in Gärtringen. Dann war die Gruppe komplett und wurde von Busfahrer Dominik umsichtig und gelassen nach Bönnigheim chauffiert.
Merkwürdiges war in der Ankündigung über diese Weinbaustadt zu lesen: die erste 4-Sektoren-Stadt Deutschlands? Man war gespannt. Kurt Sartorius erwartete uns und erwies sich als ebenso kenntnisreicher wie unterhaltsamer und humorvoller Begleiter. Stolz zeigte er uns die gotische Kirche, die sogar noch einen Lettner hat – als eine von dreien in Württemberg. Dann ging es gelehrt zu, denn Sartorius klärte uns auf, was es mit dem Ganerbiat auf sich hat: gemeinsam verwaltetes Erbe, das aber verschiedene Besitzer hat, nämlich die Ganerben. Wundersames war zu lesen von der Bönnigheimer Bürgerin Barbara Schmotzerin, die 53 Kinder zur Welt gebracht hat.
Beim Stadtrundgang zeigten die schönen renovierten Fachwerkhäuser die Baukunst früherer Jahrhunderte. Schließlich lüftete Kurt Sartorius das Geheimnis um die 4-Sektoren-Stadt. Die Ganerben ärgerten sich, wenn die Bürger aus einem Stadtteil in einen anderen zogen, um Steuern zu sparen oder weil sie dort heiraten wollten. So wurde verfügt, dass die Stadtteile getrennt bleiben und niemand hinüber und herüber darf. „Das war Jahrhunderte vor Berlin!“ betonte Sartorius.
Schließlich führte er uns ins Schnapsmuseum, dessen geistiger Urheber er ist. Zur Stärkung gab es Kaffee und Brezeln, aber das Wichtigste war die Schnaps- und Likörprobe. Wissenswertes kurz präsentiert und mit einem launigen Trinkspruch gekrönt versetzte die Kulturfreunde in gelöste Stimmung. Als Andenken durften die Probiergläsle mitgenommen werden, und natürlich konnte man die edlen Getränke auch gleich für den heimischen Verzehr erwerben.
Beschwingt traten wir den kurzen Weg zum Bönnigheimer Barockschloss an, das die Heimat der Sammlung Charlotte Zander ist. Die Kunstkennerin aus dem niederrheinischen Krefeld sammelte schon früh die Kunst der Autodidakten, auch „naive Kunst“ genannt. Leider ist die Ausstellung nicht zu sehen, weil demnächst die Innenräume des Schlosses renoviert werden. An einigen ausgewählten Exponaten erklärte uns aber die Museumsleiterin die wesentlichen Kriterien dieser besonderen Gattung. Mit Henri Rousseau war einer der bekanntesten Künstler vertreten. Einige seiner französischen Landsleute konnten wir ebenfalls bewundern. Ein sehr großes Format mit Pflanzenmotiven entpuppte sich als Werk einer Putzfrau, deren Leben sogar verfilmt wurde: Séraphine de Senlis.
Erholt und zu neuen Eindrücken bereit kamen wir nach Oberstenfeld, einem kleinen feinen Örtchen, das sich einer romanischen Stiftskirche rühmt. Wie es dazu kam, erzählte uns in beeindruckender Frische und Lebendigkeit der 94jährige Ernst Schedler. Vor lauter Begebenheiten aus dem Leben der adligen Stiftsdamen und ihrer Äbtissinnen geriet der Bau selbst fast in den Hintergrund. Aber es blieb noch Zeit, den dreistufigen Innenraum, seinen Hochaltar aus der Dürer-Schule und die Krypta anzusehen, die eine echte Rarität ist.
Mit dem Bus, von Dominik souverän durch die kleinen Orte und Gassen manövriert, ging es nach Beilstein zum Weingut der Familie Krohmer. Der noch junge Betrieb wurde uns von Jasmin Krohmer vorgestellt, der besten Nachwuchs-Weinküferin Deutschlands. Ihr Vater Dieter Krohmer beantwortete viele Fragen zum Ausbau der Weine und zum gefürchteten Feind aller Winzer, der Kirschessigfliege. Eine Vierer-Weinprobe bildete den Auftakt zu einem genussvollen Abend im Hof des Weingutes. Das rustikale Büffet schmeckte trotz der Hitze, und auf der Weinkarte fand sich manche Entdeckung zur Bereicherung des heimischen Weinkellers. Alles hatte Platz im großen Bus und kam mit der Gruppe wohlbehalten in Gärtringen und Nufringen an. Lang anhaltender Beifall zeigte Otto Müller, dass er wieder einmal ein wunderbares Programm zusammengestellt hatte. Und unser sympathischer Busfahrer Dominik durfte ein kleines Dankeschön für seine Fahrkünste entgegennehmen. Carmen Rothermel